Reisen ist tödlich für Vorurteile / Mark Twain

Wenn ich meine Bekannten frage, wo sie denn in den letzten Jahren ihren Urlaub verbracht haben, schwärmen sie von den unterschiedlichsten Ländern und Gegenden der ganzen Welt. Den Balkan haben einige schon bereist, es fallen dann aber Namen wie Griechenland oder Kroatien. Kosovo bringen die meisten nur in Verbindung mit einem schrecklichen Krieg vor etlichen Jahren, unsicherer Lage und Spannungen zwischen Serben und Albanern. Die wenigsten wissen, dass man (auch laut Auswärtigem Amt) nur den Norden, insbesondere die Gegend um Mitrovica meiden sollte, sich aber im übrigen Teil gefahrlos bewegen kann. Viele Vorurteile kommen ins Spiel, wenn Mann oder Frau an Kosovo denkt, darüber spricht oder gar einen Kosovo-Albaner trifft. Muslime sind radikal, sie beten den ganzen Tag, die Frauen tragen Kopftuch und, und und... Ich wollte es wissen und entschloss mich in diesem Jahr ganz spontan, mir während eines Schnupperurlaubs (leider hatte ich nicht mehr Zeit) selbst ein Bild zu machen.

Also buchte ich bei airprishtina einen Flug und schon konnte es losgehen. Natürlich war es beim Check-in auf dem Flughafen Zürich ziemlich voll, denn es war Ferienzeit, und die meisten Kosovo-Schweizer (eine Schweizer Zeitschrift bezeichnete Kosovo unlängst als 27. Kanton der Schweiz), wollten natürlich einen preiswerten Urlaub in ihrer Heimat und mit ihren Verwandten verbringen. Das kann ich gut verstehen, denn in der Schweiz ist ein Familienurlaub unbezahlbar, wenn man Normalverdiener ist. Meine Bedenken bezüglich des langen Wartens wurden bald zerstreut, denn es ging zügig und vor allem diszipliniert vonstatten. Auch die vielen kleineren Kinder ließen diese Prozedur ohne Quengelei über sich ergehen (und das bei Kosovo-Albanern – die können doch ihre Kinder nicht erziehen). Über eine Beobachtung möchte ich noch berichten: Auf dem Flughafen unterhielten sich die albanischen Familien fast ausschließlich schweizerdeutsch, im Flugzeug albanisch, so wie auf dem Flughafen in Prishtina bei der Gepäckausgabe. Auf dem Rückflug beobachtete ich genau das Gegenteil. Auf dem Flughafen sprachen sie noch albanisch, doch sowie sie die Maschine betreten hatten, unterhielten sie sich schweizerdeutsch – wenn das keine Integration ist!!! Ich jedenfalls flog früh am Morgen voller Erwartung meinem kleinen Abenteuer entgegen.

Von meinem Freund war ich schon auf den Flughafen „Adem Jashari“ in Prishtina vorbereitet worden, aber als ich ankam, war ich positiv überrascht, wie modern er ausgestattet ist und wie schnell ich mein Köfferchen wieder in den Händen hielt. Mit ihm zusammen ging ich einem sonnig-warmen Tag entgegen. Den Flughafen gibt es an diesem Standort seit 1965. 2011 bekam, trotz Protesten der Bevölkerung, die türkischen Limak-Holding den Zuschlag, ihn für 20 Jahre nach eigenen Plänen zu gestalten. Am 23. Oktober 2013 wurde nach zweijähriger Bauzeit das neue Terminal eröffnet. Es soll künftig bis zu 1,5 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen. Seit der Erweiterung besitzt der Flughafen vier Fluggastbrücken.

Flughafen-Prishtina

Flughafen-Adem-Jashari

Während der Autofahrt in die Hauptstadt fielen mir die vielen neu gebauten Häuser auf, die zum Teil erst halb fertig an der Straße standen. Sie entstehen überall dort, wo die Serben während des Krieges brandschatzten und die alten Häuser unbewohnbar machten. Es war aufgeräumt und sauber. Die Wiesen und Gärten waren grün, mit Obstbäumen und Blumen bestückt, im Hintergund sanfte Rundungen der Berge. Prishtina zeigte sich mir als eine lebendige Stadt mit vielen Menschen und leider auch vielen Autos. Man sieht immer wieder Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen, Deutschland, Schweden, Österreich, Finnland, Norwegen, Italien und natürlich nicht zu vergessen Schweiz. Zahlreiche Straßencafes laden mit schattigen Plätzen, schmackhaftem Kaffee zu kleinen Preisen zum Verweilen ein, und überall gibt es Bänke zum Ausruhen. Kleine Schneider- und Schuhmacherwerkstätten locken Kunden für schnelle Reparaturen bei denen man zuschauen kann. Große Einkaufszentren und Boutiquen werben mit Sonderangeboten. Der Grundstein für die Mutter-Teresa-Kathedrale wurde schon 2005 gelegt, mit dem Bau, der 2015 abgeschlossen sein soll, allerdings erst 2007 begonnen. Sie soll das harmonische Zusammenleben der katholischen Minderheit mit der muslimischen Mehrheit symbolisieren

Mutter-Teresa-Kathedrale

In einem kleinen Restaurant stillte ich meinen Hunger mit einem echten deutschen Kartoffelsalat, den ein freundlicher junger Mann mir ganz stolz präsentierte – und der hat richtig gut geschmeckt. Ich habe kein einziges Kopftuch gesehen. Aber das lag ganz sicher an der Hitze des Tages.

Freiluftrestaurant

eine-kleine-Pause

Nationaltheater

Hotel und Bank

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